Falsch abgerechnet in der BAG – Wer ist schuld?

Das BSG (Bundessozialgericht) hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, wer für die richtige Abrechnung innerhalb einer BAG (Berufsausübungsgemeinschaft) verantwortlich ist.

Die Entscheidung betrifft alle BAGs, in denen die Abrechnung nur von einem Gesellschafter koordiniert und durchgeführt wird. Trotz erlaubter Arbeitsteilung sieht das BSG die Verantwortung für richtige Abrechnungen auch weiterhin bei allen Gesellschaftern!

Der Fall

Ein Ehepaar war über viele Jahre hinweg in einer Gemeinschaftspraxis (jetzt: BAG) tätig. Die Abrechnungen wurden ausschließlich durch den Ehemann vorgenommen.

Ob die Ehefrau die Abrechnungen überhaupt kontrolliert hatte, blieb bis zum Schluss unklar. Jedenfalls hatte sie die Abrechnungen allenfalls oberflächlich geprüft. Von einer „echten“ Überwachung der Abrechnung war nicht auszugehen.

Nach Auffassung der Gerichte hatte die Ehefrau damit gegen ihre Verpflichtung zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen. In der Entscheidung des BSG heißt es dazu:

„Es sei grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass die Ehefrau ihrem Ehemann intern die Abrechnung der Gemeinschaftspraxis gegenüber der KV überlassen habe, doch treffe sie in diesem Fall eine Überwachungspflicht, die über die reine Prüfung der rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung hinausgehe. Es wäre aus Sicht des Senats zu erwarten gewesen, dass sich der Ehefrau im Hinblick auf die hohe Zahl fiktiver Patienten bzw. deren stetes Ansteigen (von 122 Patienten im Quartal II/2005 auf 352 im Quartal II/2008) gewisse Bedenken hinsichtlich der Anzahl der abgerechneten und der tatsächlich in der Praxis behandelten Patienten und dem hierbei erzielten Honorar hätten aufdrängen müssen; dies gelte zumindest in dem Zeitraum ab Januar 2008, als die Ehefrau wieder ganztägig in der Praxis tätig gewesen sei. Unabhängig davon wären jedenfalls von Zeit zu Zeit Stichproben hinsichtlich Art und Umfang der abgerechneten Leistungen zu erwarten gewesen. Die Ehefrau habe auch schuldhaft – unter fahrlässiger Missachtung der vertragsärztlichen Pflichten – gehandelt. Ihr habe bewusst sein müssen, dass eine alleinige Sichtung der Statistiken, Prüfprotokolle und der Anzahl der abgerechneten Behandlungsfälle keine ausreichende Überwachung der von ihrem Ehemann erstellten, aber auch sie betreffenden Abrechnung darstellen könne.“

Abrechnung ist Gemeinschaftssache

Selbstverständlich kann die Abrechnung durch ein BAG-Mitglied organisiert und vorbereitet werden. Das gilt auch für die Vorbereitung der Abrechnungssammelerklärungen. Die Gerichte haben insoweit nichts gegen eine sinnvolle Arbeitsteilung.

Aber die inhaltliche Verantwortung kann nicht übertragen werden. Diese verbleibt bei jedem einzelnen BAG-Mitglied. Ob die BAG-Mitglieder – wie im zu entscheidenden Fall – zusätzlich miteinander verheiratet sind oder nicht, spielt dabei im Übrigen keine Rolle.

Das BSG führt aus:

„Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, dass eine gewissenhafte, peinlich genaue Leistungsabrechnung zu den Grundpflichten eines Vertragsarztes gehört. Diese Pflicht hat hohen Stellenwert, weil das Abrechnungs- und Honorierungssystem der vertragsärztlichen Versorgung auf Vertrauen aufbaut; das Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben der Leistungserbringer stellt ein Fundament des Systems der vertragsärztlichen Versorgung dar. Die ihm obliegenden Pflichten muss ein Vertragsarzt jeder Zeit erfüllen. Hieraus ergibt sich, dass jeder einzelne Vertragsarzt verpflichtet ist, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um das in die Richtigkeit seiner Abrechnung gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen. Für die korrekte Abrechnung seiner Leistungen ist der Vertragsarzt selbst verantwortlich. Wie der Senat ebenfalls bereits dargelegt hat, entlastet es den Vertragsarzt nicht von seiner Verantwortung, wenn und soweit er sich bei der Abrechnung personeller und/oder technischer Hilfe bedient. In welcher Form er sich personeller Hilfe bedient, welcher Personen er sich hierzu bedient oder in welchem Umfang dies der Fall ist, spielt in Bezug auf die ihm obliegenden Pflichten keine Rolle.“

BAGs genießen insoweit keinen höheren Schutz als Einzelpraxen. In BAGs bleibt es bei der individuellen Verantwortung für die Abrechnung der eigenen Leistungen.

Das BSG:

„Die grundsätzliche Verantwortlichkeit des einzelnen Arztes für die Richtigkeit seiner Abrechnungen entfällt auch nicht dadurch, dass die Partner einer BAG die Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen auf eines ihrer Mitglieder übertragen haben. Zwar ist die Gemeinschaftspraxis bzw. BAG durch die gemeinschaftliche Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit geprägt und stellt rechtlich eine Praxis dar. Dies ändert jedoch nichts am individuellen Pflichtenkreis ihrer einzelnen Mitglieder. Übertragen diese die ihnen grundsätzlich persönlich obliegende Aufgabe der Leistungsabrechnung auf einen der BAG- Partner, haben sie durch geeignete (Überprüfungs-)Maßnahmen sicherzustellen, dass sie ihrer Verantwortung weiterhin gerecht werden. Dass sich einzelne Mitglieder einer BAG nicht hinter dieser bzw. den Besonderheiten der gemeinschaftlichen Berufsausübung „verstecken“ können, verdeutlicht nicht zuletzt der Umstand, dass eine Haftung im Falle sachlich- rechnerischer Richtigstellungen oder anderer gegenüber der BAG bestehender (Rück-)Forderungen nicht allein die BAG trifft, sondern daneben eine Einstandspflicht ihrer einzelnen Gesellschafter besteht, welcher jeder für sich in Anspruch genommen werden kann.“

Keine Privilegierung von Ehegatten-BAG

Ob die Mitglieder einer BAG miteinander verheiratet sind oder nicht, spielt für die Gerichte keine Rolle. Unbeachtlich ist deshalb auch, dass man bei miteinander verheirateten BAG- Mitgliedern von einem besonders hohen Vertrauen in den jeweils anderen Ehegatten ausgeht. Denn:

„Es liegt auf der Hand, dass sich die Intensität vertragsärztlicher Pflichten nicht danach richtet, in welchem Verhältnis die Partner einer BAG zueinander stehen. Ein möglicherweise bestehendes besonderes Vertrauensverhältnis – sei es aufgrund einer Lebensgemeinschaft oder sonstiger freundschaftlicher oder verwandtschaftlicher Beziehungen – entbindet Praxispartner nicht davon, das Handeln ihrer Kollegen sowohl in Bezug auf medizinsche Aspekte als auch auf Abrechnungsgesichtspunkte erforderlichenfalls mit der gleichen Professionalität zu hinterfragen, zu der sie auch gegenüber anderen Praxispartnern verpflichtet sind.“

Fazit

Rechtlich ist es nicht zu beanstanden, wenn sich die Mitglieder einer BAG aus pragmatischen Gründen über eine Arbeitsteilung verständigen und die Abrechnung nur durch ein BAG-Mitglied vorbereitet und übernommen wird. Durch solch eine Aufgabenübertragung können sich die übrigen BAG-Mitglieder jedoch nicht aus der inhaltlichen Verantwortung „stehlen“. Sie bleiben neben dem „abrechnenden Partner“ ebenfalls umfassend für die Richtigkeit der Abrechnungen verantwortlich.

Mirja K. Trautmann
Rechtsanwältin & Fachanwältin für Medizinrecht

Fachbeitrag, erschienen im PädNetzS-Magazin Ausgabe 01-2017 | www.paednetzs.de