Achtung Falle – Der Verzicht auf die Zulassung

Der (voreilige) Verzicht auf die Zulassung kann zur Falle werden, wenn mit dem Praxisnachfolger kein wirksamer Praxiskaufvertrag abgeschlossen wurde. Darauf ist zu achten:

Der Fall

Eine Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom Dezember 2015 kann schon fast als Klassiker bezeichnet werden. Jedenfalls ist die dort dargestellte Situation „aus dem Leben gegriffen“ und in der Beratungspraxis leider immer wieder anzutreffen. Ein privat- und vertragsärztlich tätiger Kinderarzt schloss im Oktober 2014 einen Praxiskaufvertrag mit einer Kinderärztin ab, an die er seine Praxis zum 02.01.2016 übergeben wollte.

Der Praxisabgeber verzichtete dann schon Monate vorher zum 31.12.2015 auf seine Zulassung und ließ den Praxissitz zur Nachfolge ausschreiben. Der zuständige Zulassungsausschuss wiederum ließ die Käuferin mit Wirkung zum 01.01.2016 zu und stellte außerdem fest, dass die Zulassung des Verkäufers in Folge von dessen Verzicht mit Ablauf des 31.12.2015 enden würde.

Obwohl sie sich mit dem Praxisablauf in der Praxis des Klägers bekannt gemacht hatte und dort sogar vertretungsweise tätig geworden war, behauptete sie jedenfalls ab Sommer 2015 (also noch vor der geplanten Praxisübernahme), ein Vertrag mit dem Kläger sei überhaupt nicht zustande gekommen.

Es kam wie es kommen musste:

Die Käuferin verlegte noch vor der Praxisübernahme den Praxissitz und eröffnete in der unmittelbaren Nachbarschaft zu den Praxisräumen des Verkäufers eine eigene Praxis.

Der Kläger wollte daraufhin seine vertragsärztliche Zulassung verlängern lassen. Er trug vor, er müsse seine Praxis sonst zum 31.12.2015 schließen, obwohl er seinen Mitarbeiterinnen erst zum Mai 2016 kündigen könne. Er habe auch in Wirklichkeit gar nicht auf seine Zulassung verzichtet und auch keine Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens beantragt. Sein Vertragsarztsitz bestehe weiter, weil er de facto keinen Nachfolger habe. Es bestehe auch ein Bedarf für Kinderärzte.

Die Entscheidung

Das LSG hielt – wie zuvor schon das Sozialgericht Marburg – den Antrag des Klägers für unbegründet.

Der Kläger habe wirksam zum 31.12.2015 auf seine vertragsärztliche Zulassung verzichtet. Die Möglichkeit, eine Zulassung zu verlängern, sehe das Gesetz nicht vor. Die Voraussetzungen für eine „Verlängerung“ im Sinne einer Neuzulassung des Klägers lägen nicht vor, da der Planungsbereich gesperrt war.

Die Zulassungende unter anderem mit dem Wirksamwerden eines Verzichts. Verzicht sei eine einseitige empfangsbedürftige, rechtsgestaltende Willenserklärung, die regelmäßig mit dem Zugang beim Erklärungsempfänger (das ist der Zulassungsausschuss) wirksam werde. Der Verzicht könne auch nicht unter eine Bedingung gestellt werden. Er sei bedingungsfeindlich. Mit Zugang der Verzichtserklärung beim Zulassungsausschuss bleibe der Vertragsarzt deshalb an diese gebunden. Er könne sich von ihr nicht mehr lösen. Eine Anfechtung sei zwar nach den allgemeinen Regeln für die Anfechtung von Willenserklärungen grundsätzlich denkbar. Eine solche Anfechtung komme aber jedenfalls nach Wirksamkeit des Verzichts bei gleichzeitig bestehenden Zulassungsbeschränkungen nicht mehr in Betracht, da der Vertragsarztsitz dann neu besetzbar sei und Entscheidungen der Zulassungsausschüsse nicht mit der Ungewissheit einer Anfechtung belastet werden könnten.

Das Gesetz mache die Zulassung eines Nachfolgers auch nicht von der vorherigen oder nachträglichen vertraglichen Einigung zwischen Praxisverkäufer und Praxisnachfolger abhängig. Das Zustandekommen eines (zivilrechtlich wirksamen) Praxiskaufvertrages zwischen Abgeber und Nachfolger sei deshalb keine Voraussetzung für die (sozialrechtliche) Zulassung des Nachfolgers unter gleichzeitiger Beendigung der Zulassung des Praxisabgebers. Der zugelassene Nachfolger werde deshalb auch (zivilrechtlich) nicht automatisch Inhaber der ärztlichen Praxis des ausscheidenden Vertragsarztes. Die Entscheidung über die Zulassung des Nachfolgers könne auch nicht unter die Bedingung gestellt werden, dass tatsächlich ein Vertrag über den Praxiskauf zustande komme.

Nach der Wiederbesetzung eines Vertragsarztsitzes komme ein Widerruf oder eine Anfechtung der Verzichtserklärung durch den Praxisabgeber nicht mehr in Betracht. Sofern der Nachfolger bestreite, einen Kaufvertrag mit dem Praxisabgeber geschlossen zu haben, sei dies allein zivilrechtlich zu klären. Es handele sich dabei um ein allgemeines Vertrags-risiko ohne Auswirkungen auf die Zulassungsentscheidungen der Zulassungsausschüsse.

Soweit eine Verlegung des Praxissitzes durch den Nachfolger gegen (etwaige) vertragliche Vereinbarungen mit dem Praxisabgeber verstoße, sei auch dies allein zivilrechtlich zu klären. Es sei nicht Aufgabe der Zulassungsgremien, die Einhaltung von vertraglichen Vereinbarungen zu überwachen bzw. deren Nichteinhaltung zu sanktionieren.

Konsequenzen für die Praxis

Praxisabgeber sollten nicht vorschnell auf ihre Zulassung verzichten. Der endgültige Verzicht kann auch erst in der Sitzung des Zulassungsausschusses erklärt werden, in der über die Nachfolgezulassung des Käufers entschieden wird. Das setzt dann natürlich die persönliche Anwesenheit in dieser Sitzung voraus. Trotz des damit verbundenen „Lästigkeitsmoments“ sollte auf diese Anwesenheit also nicht verzichtet werden.

Den Unwägbarkeiten im Zulassungsverfahren und auch der Unsicherheit bei der Auswahl des gewünschten Nachfolgers durch den Zulassungsausschuss (sofern mehrere Bewerber vorhanden sind), kann mit entsprechenden Regelungen im Praxiskaufvertrag begegnet werden. Das setzt jedoch die Beratung durch einen erfahrenen Rechtsanwalt voraus.

Käufer, die – wie im vorliegenden Fall – darauf spekulieren, auch ohne Übernahme einer existierenden Praxis an eine Zulassung zu kommen, müssen aber trotzdem aufpassen. Denn im gesperrten Gebiet ist nur eine Nachfolgezulassung denkbar. Es muss also ein Vertragsarzt auf seine Zulassung verzichten, damit der Nachfolger zugelassen werden kann. Und das wiederum setzt voraus, dass der Nachfolger grundsätzlich bereit ist, die abzugebende Praxis auch tatsächlich fortzuführen. Das hat das LSG im geschilderten Fall wegen der unmittelbaren Nähe des alten sowie neuen Standortes zwar bejaht. Aber sicher ist dies nicht, weil das Fortführen einer Praxis normalerweise voraussetzt, dass diese auch am bisherigen Standort weiterbetrieben wird.

Wenn die Sozialgerichte zu dem Ergebnis kämen, dass der Nachfolger die Praxis des Abgebers im rechtlichen Sinne gar nicht fortführt, dann entzieht dies auch die Grundlage für die Zulassung des Nachfolgers. Diese ist dann wieder zu entziehen.

Nur der Vollständigkeit halber:
Selbst wenn dem Nachfolger die Zulassung wegen mangelndem Fortführungswillen wieder entzogen würde, ist dies nicht mit der automatischen (Wieder-)Zulassung des Praxisabgebers verbunden.

Fazit

Gerade im Fall der Nachbesetzung frei werdender Vertragsarztsitze unter Verknüpfung mit einem Praxisverkauf spielen sozialrechtliche Vorgaben („Zulassungsrecht“) und rein zivilrechtliche Aspekte („Kaufvertrag“) eine Rolle, ohne direkt miteinander verknüpft zu sein. Es ist deshalb wichtig, beide Rechtsbereiche in Einklang zu bringen, um nicht in eine Falle zu tappen. Das kann nur durch entsprechend gestaltete Praxiskaufverträge sichergestellt werden. Solchen Verträgen sollte daher schon frühzeitig Aufmerksamkeit geschenkt werden, wenn die Übergabe einer Praxis in Betracht kommt bzw. beabsichtigt ist.

Mirja K. Trautmann
Rechtsanwältin & Fachanwältin für Medizinrecht

Fachbeitrag, erschienen im PädNetzS-Magazin Ausgabe 03-2017 | www.paednetzs.de