Müssen Erben Regresse bezahlen?

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat sich mit der interessanten Frage beschäftigt, ob gegen einen verstorbenen Vertragsarzt noch Regresse festgesetzt werden können; vor allem aber, ob die Erben diese Regresse dann auch bezahlen müssen.

Was genau erben Erben eigentlich?

Stirbt eine Person (= Erbfall), dann geht deren Vermögen als Ganzes (= Erbschaft) auf einen oder mehrere anderen Personen (= Erben) über. So steht es vermeintlich klar und eindeutig in § 1922 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).

Zu einer Erbschaft gehören deshalb nicht nur das positive Vermögen, sondern auch die Schulden des Verstorbenen.

Darüber hinaus gibt es aber auch sogenannte unvererbliche Rechte. Das sind vor allem höchstpersönliche Rechte, wie beispielsweise die Mitgliedschaft in einem Verein oder einer Genossenschaft und der Name des Verstorbenen. Aber auch Ansprüche des Erblassers gegen eine weitere Person wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts (z.B. durch ehrverletzende Äußerungen) sind unvererblich. Wichtig für Ärzte und ihre Erben ist außerdem, dass die „Kassenzulassung“ ebenfalls nicht vererblich ist. Sie endet mit dem Tod des Vertragsarztes.

(Un-)Vererbliche Regresspflicht?

Somit stellt sich die Frage, ob Regresse derart höchstpersönlich sind, dass sie nicht vererbt werden (können), oder ob es sich um allgemeine Schulden handelt, die von den Erben zu bezahlen sind.

Läuft das Regressverfahren zum Zeitpunkt des Todes noch (ist es also in der Schwebe und nicht abgeschlossen), stellt sich darüber hinaus die Frage, ob das Verfahren ohne Weiteres einzustellen und zu beenden ist, oder ob es unter Beteiligung der Erben fortgeführt werden muss.

Die Vertretung innerhalb einer BAG durch einen angestellten Arzt

Dieser Fall unterscheidet sich nicht von dem zuvor dargestellten, wenn die Vertretung durch einen freiberuflich niedergelassenen Mitgesellschafter erfolgt.

Vertritt ein angestellter Arzt den abwesenden Praxisinhaber, so kann er nur die Leistungen erbringen und abrechnen, die ihm persönlich genehmigt wurden. Auch der angestellte Arzt rechnet dann über seine eigene LANR ab.

Der Fall

Ein vertragsärztlich tätiger Internist hatte einer Patientin zur Behandlung von Diabetes Typ 2 das Arzneimittel Competact® verordnet. Die zuständige Krankenkasse der Patientin war der Meinung, dass Competact® nach der Arzneimittel-Richtlinie nicht verordnungsfähig gewesen sei. Die Krankenkasse beantragte deshalb die Festsetzung von Regressen gegen den Arzt.

Die Prüfungseinrichtungen lehnten die Anträge der Krankenkasse ab. Sie begründeten dies damit, dass die Prüfverfahren ohne Weiteres durch den Tod des Vertragsarztes beendet worden seien. Denn ein Toter könne nicht mehr an einem solchen Prüfverfahren beteiligt sein. Dagegen wehrte sich die Krankenkasse und erhob Klage.

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen entschied als Berufungsgericht, dass der Tod des Vertragsarztes die Prüfverfahren nicht beendet hatte. Die Prüfverfahren hätten fortgeführt werden müssen; und zwar mit den Erben des verstorbenen Vertragsarztes. Diese hätten auch etwaige Regresse geerbt. Es handele sich dabei eben nicht um höchstpersönliche Pflichten, die so eng mit dem Verstorbenen zusammenhingen, dass sie nur von diesem und von keinem anderen erfüllt werden könnten. Die Ausgleichspflicht sei deshalb in diesem Fall auf die Ehefrau übergegangen, die Alleinerbin geworden war.

Die Schadensersatzpflicht im Rahmen eines Arzneimittelregresses könne nicht nur vom Vertragsarzt, sondern auch von dessen Erben erfüllt werden. Die Erben hätten auch die Möglichkeit, die Patientenunterlagen des Verstorbenen einzusehen und diese auf Entlastungsmomente oder Praxisbesonderheiten hin durchzusehen. Es handele sich deshalb um keine höchstpersönliche Zahlungspflicht, sondern um Schulden allgemeiner Natur.

Empfehlung

Da für Erben die Möglichkeit besteht, ihre Haftung auf den Nach-lass zu beschränken, kann bei Tod eines Vertragsarztes schnelles Handeln nötig werden. Denn die Haftungsbeschränkung auf das vererbte Vermögen muss innerhalb bestimmter Fristen erklärt werden. Alternativ sollten Erben auch prüfen, ob sie das Erbe ggf. sogar ausschlagen. In jedem Fall sollten Erben daher zeitnah fest-stellen, welche Verfahren im Zusammenhang mit der Arztpraxis zum Zeitpunkt des Todes noch offen sind.

Im Zweifel sollten sich die Erben außerdem den Rat eines Fachanwaltes für Erbrecht einholen, um nicht vorschnell falsche Entscheidungen zu treffen, die möglicherweise nicht mehr rückgängig gemacht werden können.

Mirja K. Trautmann
Rechtsanwältin & Fachanwältin für Medizinrecht

Fachbeitrag, erschienen im PädNetzS-Magazin Ausgabe 02-2018 | www.paednetzs.de